Wo Bäume sind, geht es uns gut. Warum das Waldesgrün so heilsam ist, beschäftigt Forscher weltweit. Neuere wissenschaftliche Studien bieten Erklärungen für die gesundheitsfördernde Wirkung.
Bäume sind nach biologischer Definition Holzgewächse mit einem dominanten Haupttrieb. Stehen mehrere nahe beieinander, heisst dieses Naturphänomen Wald. Doch ein Wald ist viel mehr als eine Ansammlung von Bäumen. Ein Wald ist ein Ökosystem, in dem sich Bodenkräuter und niedrige Büsche im Schatten der dichten Baumkronen besonders wohlfühlen. In einem Wald leben zahlreiche Tiere, die sich von den Früchten der Natur ernähren. Ein Wald ist ein Erlebnisraum vom Feinsten. Ein Erholungsgebiet für stressgeplagte Erwachsene und neugierige Kinder. Allein schon das gedämpfte Licht unter dem Kronendach wirkt beruhigend. Den Körper regelmässig in Schwung bringen, ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit und sich im Freien zu bewegen, gilt als besonders gesund. Zum einen, weil wir mit unserer modernen Lebensweise mehr sitzen als gehen, zum anderen aber auch, weil wir im Wald die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen. Es lohnt sich, langsam durch den Wald zu bummeln, sich Zeit zu lassen, genau hinzusehen und zu beobachten.
Die eigenen Probleme schrumpfen im Angesicht des natürlichen Kreislaufes von Werden und Vergehen, der in einem Wald besonders schön zu beobachten ist. Und wer glaubt, ein schweisstreibender Spurt sei gesünder als gemächliches Schlendern, der irrt. Nicht das Sich-körperlich-verausgaben bewirkt den Gesundheitseffekt, vielmehr ist der Wald selbst die Medizin. Wer zudem hin und wieder stehen bleibt, sieht, was dem Dahineilenden verborgen bleibt. Die Natur zu beobachten, ist Balsam für die Seele. Wer sich lange im Wald aufhält, zwischendurch einem Eichelhäher nachschaut oder schillernde Prachtkäfer betrachtet, tut etwas für Gemüt. Die Blattkrone der Waldbäume filtert die Luft – bei und in der Nase kommt das wohltuend an. Denn die Waldluft ist schadstoffarm, gut angefeuchtet, von hohem Sauerstoffgehalt und von Staub und Russ gereinigt. So staubarm wie im Wald ist es sonst nur im Gebirge oder am Meer. Ein paar tiefe Atemzüge fördern also unsere Gesundheit. Die Luft im Wald verströmt zudem diesen typischen, unverwechselbaren Duft nach feuchter Erde, Pilzen, Tannennadeln und vermoderten Blättern. Und sie ist voll von gasförmigen Duftstoffen, die der Wald an die Atmosphäre abgibt. Bestimmte Bestandteile der Baumharze, die Terpene (ätherische Öle), verflüchtigen sich. In einigen Verbindungen werden sie gasförmig und gelangen durch die Spaltöffnungen der Blätter in die Luft. Diese Duftstoffe fördern die „Riechatmung“ und verleihen der Waldluft ihre typische Würze. Besonders Nadelhölzer, aber auch Eichen und Buchen produzieren sie und besonders intensiv riechen könne wir sie bei zersägtem Holz oder gefällten Bäumen. In den Terpenen enthalten sind auch sogenannte Phytonzide. Die Endung –zid kommt von lat. „caedere“ (fällen, töten), Phyton (griech.) heisst „Pflanze“. Die Phytonzide wirken als natürliche Schädlingsabwehr und sind ein wichtiger Faktor der Pflanzenimmunität, da sie sich unter anderem durch eine antibiotische Wirkung auszeichnen. Japanische Forscher (Nippon Medical School Tokio) wiesen nach, dass die Phytonzide, welche wir bei einem ausgedehnten Waldspaziergang tief einatmen, eine positive Wirkung auf das menschliche Immunsystem haben.
Die japanischen Forscher vermuten, dass die Phytonzide der Waldbäume unsere Killerzellen aktivieren und darum regelmässige Waldspaziergänge das Risiko, an Herzinfarkt, Diabetes und möglicherweise Krebs zu erkranken, senken. Wer nur einen Tag im Wald verbringt, hat sieben Tage lang eine erhöhte Anzahl an stärker aktivierten Killerzellen im Blut, stellten die Wissenschaftler der Nippon Medical School fest. Ein vielversprechender Therapieansatz, der in den nächsten Jahren sicherlich intensiv erforscht werden wird. In einer Studie mit mehreren Hundert Versuchspersonen wurde zudem nachgewiesen, dass Waldspaziergänge Blutdruck und Herzfrequenz senken; darüber hinaus ist die Adrenalin-Ausschüttung und damit der individuelle Stresspegel sehr niedrig.
Das Resümee aller Erkenntnisse zur Gesundheitswirkung von Waldlandschaften ist überaus erfreulich: Regelmässige Aufenthalte im Wald tragen zur Regeneration bei, verbessern die Schlafqualität und harmonisieren das Nervensystem. Vom Stresshormon Kortisol werde weniger, von den Stimmungshormonen Serotonin und Dopamin hingegen mehr ausgeschüttet. Das Beste: Diese Wirkung tritt schon bei einem kurzen Waldspaziergang von gerade mal zehn Minuten ein.
Die Schweiz ist zu einem Drittel mit Wald bewachsen. Es ist folglich genug „Auslauf“ für alle da, die etwas für ihre Gesundheit tun möchten. Zudem tut ein Spaziergang nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele gut. Weil wir – das bestätigen auch die Forscher – am besten regenerieren, wenn wir die Sinne frei schweben, das beruhigende Grün auf uns wirken lassen und uns den Düften, Geräuschen und Eigenheiten des Waldes hingeben. Nicht umsonst ist das bereits 1982 von der japanischen Forstbehörde eingeführte „Waldbaden“ (Shinrin-yoku) eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Erholung.
Zitiert aus den Gesundheits-Nachrichten, November 2016, S. 10-13, geschrieben von Judith Dominguez